Kirchenmusik

Donnerstag, 02. Dezember 2021

J. S. Bach: Große Orgelmesse - Neue CD aus Blieskastel

Als J. S. Bach sein erstes gedrucktes Orgelwerk 1739 veröffentliche, war er bereits 54 Jahre alt. Die Sammlung besteht aus zehn großen Choralbearbeitungen, elf kleineren Choral-Vorspielen bzw. –Fughetten sowie vier Inventionsartigen Duetten, eingerahmt von Präludium und Fuge Es-Dur. Sie ist betitelt mit „Dritter Theil der Clavier Übung…“, womit Bach terminologisch unter anderem auf ähnliche Publikationen seines direkten Leipziger Amtsvorgängers im Thomaskantorat, Johann Kuhnau (1660-1722) anspielt.

Bei dieser Einspielung wurden nur die großen Bearbeitungen „à 2 Clav. et Ped.“ in Betracht gezogen, aber jeder der entsprechende Choral zum besseren Verständnis gesungen vorangestellt. Es gibt zahlreiche Versuche und Spekulationen, die Intention und Anordnung der verwendeten Lied-Melodien zu ergründen. Ob Bach damit zum Beispiel eine Art Orgelkatechismus, basierend auf Martin Luthers großem und kleinem Katechismus, schaffen oder ob er ein beispielgebendes Kompendium seiner Orgelkunst veröffentlichen wollte, ist nicht eindeutig erklärbar.

Das „Premier Livre d’Orgue“ (1699) des französischen Orgelmeisters Nicolas de Grigny (1672-1703) mag in vielerlei Hinsicht als Vorbild gedient haben, ebenso finden sich Anklänge an die „Fiori musicali“ (1635) von Girolamo Frescobaldi (1583-1643). Beide Werke waren Bach nicht nur bekannt, sondern er hatte sich davon persönlich eine Abschrift angefertigt. Ebenso mag die Alternatim-Praxis des Wechsels von Gemeinde, Chor und Orgel zu der populären, aber musikhistorisch und theologisch nicht korrekten Begrifflichkeit „Orgelmesse“ geführt haben. Stilistisch gesehen gehört das Opus zu Bachs letzter Schaffensperiode, in welcher er seine höchste kompositorische Meisterschaft erreicht hatte. Qualitativ kann es sich mit den „Goldberg-Variationen“, der „Kunst der Fuge“, dem „Musikalischen Opfer“ und den „Kanonischen Veränderungen“ mehr als messen.

Das eröffnende festliche Präludium präsentiert sich thematisch dreiteilig mit einem punktierten Rhythmus nach Art einer französischen Ouverture, einem melodisch heiteren Thema mit spielerischem Echo-Effekt und einem fugiert bewegten Teil.  Nicht umsonst wird dieses Präludium als Abbild der Dreieinigkeit gedeutet.

Die drei ersten sich anschließenden Choräle behandeln das altkirchliche „Kyrie fons bonitatis“, wobei der Cantus firmus zunächst im Sopran, dann im Tenor und schließlich im Bass durchgeführt wird. Der Schreibstil erinnert an alte motettische Vokalkunst, im letzten fünfstimmigen Teil harmonisch mit Anklängen an die H-Moll-Messe.

  • Das deutsche Gloria „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ ist spielerisch konzertant, ähnlich einem Triosonatensatz, gehalten. Ein strenger Oktavkanon manifestiert die Unverbrüchlichkeit von Gesetz und Bund Gottes im „Dies sind die heilgen zehen Gebot“, eingewoben zwischen  zwei imitatorischen Oberstimmen und einen Basso continuo in ruhiger Viertelbewegung.
  • „Wir glauben all‘ an einen Gott“ gestaltet Bach als eine aus der ersten Choralzeile heraus entwickelte Organo pleno-Fuge. Das permanent auftretende Basso-ostinato-Motiv könnte als die Zuversicht des Glaubens gedeutet werden.
  • Beim „Vater unser im Himmelsreich“ ist ein Oktavkanon zwischen Sopran und Tenor in einen eigenständigen Triosatz eingeflochten, der mit exquisiter Harmonik und vielschichtiger Rhythmik aufwartet und das Stück zu einem der komplexesten Schöpfungen Bachs in seinem cantus-firmus-gebundenen Werk überhaupt macht.
  • Bei „Christ unser Herr zum Jordan kam“ wird die Melodie im Tenor von zwei imitatorisch  geführten Oberstimmen und einem tonmalerisch wogenden, die Fluten des Jordan darstellenden Basses umrankt.
  • Das sechsstimmige „Aus tiefer Not“ evoziert als kontrapunktisches Meisterwerk alte imitatorische Formen wie die des Ricercars oder der Choralmotette.
  • Der Triosatz „Jesus Christus unser Heiland“ wartet mit lebhaften Sprüngen, metrisch ungewöhnlichen Verschiebungen sowie kontrapunktischen Raffinessen wie Krebs, Umkehrung und Krebsumkehrung der sich auffächernden kontrapunktierenden Stimmen auf.

Die beschießende dreiteilige Fuge könnte ebenfalls trinitarisch gedeutet werden. Beginnend im Stile alter Vokalpolyphonie führt sie über einen spielerisch anmutenden Mittelteil hin zum lebendigem, Gigue-artigem Finale, das, wirkungsvoll mit dem ersten Fugenthema kombiniert, den Zyklus zu einem grandiosen Abschluss bringt.

Wenn Sie Interesse an dieser CD haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Christian von Blohn unter folgender E-Mail-Adresse: cvb@bistum-speyer.de

Text: Christian von Blohn, Dekanatskantor

 

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