Freitag, 17. Oktober 2025
Gelockerte Bestattungsregelungen bergen auch Risiken

Grabpflege macht viel Arbeit, doch viele Menschen nehmen dies auch als Dienst an den Verstorbenen wahr. Bild: Ingo Bartussek/AdobeStock.com
Omas Asche in einer Urne auf dem Kaminsims oder verarbeitet zu einem «Diamant» - lange war das hierzulande undenkbar. Nun lockern erste Bundesländer die Bestattungsregeln. Nicht alle sehen darin eine gute Nachricht.
Einäscherungen und Urnenbeisetzungen werden hierzulande immer beliebter. Bestattungen im Friedwald und auf See sind schon länger möglich; nun haben Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt als erste Bundesländer die bis dahin geltende Friedhofspflicht stark gelockert: Flussbestattungen auf Rhein, Mosel und Nahe sind damit ebenso erlaubt wie die Verarbeitung der Asche zu einem Diamanten. Auch kann eine Urne nun auf dem heimischen Kaminsims verwahrt werden. Was die einen freut, bereitet anderen Bauchschmerzen. Denn: Darf man alles, was technisch geht?
"Asche gehört auf den Friedhof", sagt der Mechernicher Bestatter Matthias Scharlau. Auch mit der Beisetzung im Friedwald, auf See oder auch Flüssen ist er einverstanden. Bei rund einem Viertel aller Todesfälle gebe es Konflikte unter den Angehörigen, beobachtet Scharlau: "Erben streiten sich wie die Kesselflicker". Regelungen, die sich von der Friedhofspflicht verabschieden, sieht er deshalb sehr kritisch. Er befürchtet ein unwürdiges Gezerre darum, wo die sterblichen Überreste einer Person verbleiben sollten. "Die Urne als Waffe ist mir ein Graus."
Vom Entrümpler entsorgt
Noch etwas spricht aus seiner Sicht gegen die Aufbewahrung des Gefäßes im privaten Umfeld: die Unsicherheit über deren dauerhaften Verbleib. Was etwa passiere, wenn die Urne des Mannes bei einer betagten Witwe auf dem Kaminsims steht? Nach deren Tod könne nicht ausgeschlossen werden, "dass der Entrümpelungsdienst die Asche zum Sperrmüll bringt". Diese Vorstellung ist für Scharlau ein Unding. "Die Würde des Menschen endet nicht mit dem Tod; sie muss bei allen technischen Vorgängen gewahrt werden und gilt auch für die Asche", stellt er klar.
Die Lockerung um die Friedhofspflicht erregt die Gemüter. Kirchliche Stimmen mahnen, dass Gräber und Friedhöfe Orte der Erinnerung seien - und wichtig für die Trauerverarbeitung. Günter Czasny, Sprecher der Initiative "Raum für Trauer", warnt, dass durch die neue Regelung "sterbliche Überreste von Menschen auch einfach verschwinden können". Durch das neue Bestattungsgesetz würden keine neuen Formen der Trauer geschaffen, vielmehr würden diese durch die Verlagerung in den privaten Raum "massiv eingegrenzt".
Individuellere Bestattung ermöglichen
Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) - von der CDU-Opposition als "Totengräber der Friedhöfe" tituliert - sieht die Neuregelung indes als Möglichkeit, die Friedhofskultur zu erhalten und gleichzeitig "neue Räume für eine individuelle Form der Bestattung" zu ermöglichen. Auch in Sachsen-Anhalt ist es seit diesem Herbst möglich, aus der Asche einen Diamanten anfertigen zu lassen, der beispielsweise als Ring oder Amulett getragen werden kann. Dort dürfen - unter strengen Voraussetzungen - maximal fünf Gramm Asche für diesen Zweck genutzt werden.
Diamant statt zu pflegendes Grab
Mehrere Firmen im europäischen Ausland bieten die Herstellung solcher synthetischer Diamanten an, etwa das Schweizer Unternehmen Algordanza. Die Kosten sind nach Unternehmensangaben "nicht höher als der zu erwartende finanzielle Aufwand für eine reguläre Bestattung mit der dazugehörenden Grabpflege". 250 Gramm Asche werden dafür benötigt, die übrige Kremationsasche - rund 1,5 Kilogramm - werde "an einem anderen, von den Hinterbliebenen gewünschten Ort" beigesetzt oder auf einem Schweizer Waldfriedhof, erklärt Geschäftsführer Frank Ripka. Der Wunsch nach solchen Schmuckstücken wachse. Denn in Zeiten wachsender Mobilität und Entfernung zur Heimat sei die Grabpflege schwieriger als früher.
Was aber, wenn das gute Stück verloren geht? Dies werde in der Regel von den Angehörigen "gefasst und reflektiert aufgenommen, denn niemand geht auf dieser Welt wirklich 'verloren'", sagt Ripka. Vielmehr werde solch ein Missgeschick "oftmals als Zeichen interpretiert, den endgültigen Abschied zu vollziehen", die Trauer(-phase) zu beenden und in das Leben zu integrieren.
Gedankenspiele
Bestatter Scharlau verweist auf die "Untrennbarkeit der Asche", wie sie die Friedhofspflicht bislang vorsieht. Heißt: 100 Prozent der Asche sollten - wie bei der Erd-, See oder nun auch Flussbestattung - in die Urne kommen, die im Anschluss versiegelt und beigesetzt wird. Das stelle auch sicher, dass etwa nach dem Tod von verstorbenen Promis "keine Reliquien" die Runde machten. Weiter gesponnen könnten Menschen auch auf die Idee kommen, die Hälfte der Asche am Geburts- und Sterbeort aufzubewahren - oder "die Asche der Mutter auf die Kinder zu verteilen", gibt Scharlau zu bedenken.
Auch für den Mainzer Bischof Peter Kohlgraf tangiert ein Aufteilen der Asche die Menschenwürde. Zudem stelle sich aus theologischer Betrachtung die Frage nach Möglichkeiten des Abschiednehmens - etwa, wenn Hinterbliebene aus der Asche Verstorbener gefertigte Schmuckstücke trügen. Ein weiterer Aspekt: "Man muss auch um jemanden tatsächlich trauern dürfen", erklärt Kohlgraf der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das aber setzt einen allgemein zugänglichen, öffentlichen Bestattungsort voraus, der - anders als eine Privatwohnung - jederzeit und von jedermann besucht werden kann. (Angelika Prauß, KNA)