Mittwoch, 02. Juli 2025
Tiefe Betroffenheit nach Missbrauchsvorwürfen

Beim Austausch- und Informationsabend in der Gemeinschaftshalle sprachen Pfarrer Daniel Ševo (links) und Pastoralreferentin Kornelia Olbrich (rechts) von Erfahrungen und Maßnahmen in den Pfarreien Mandelbachtal und Gersheim. Mit dabei (von links) die pastorale Begleiterin Jutta Schwarzmüller, Interventionsbeauftragte Hanna Wachter und Gemeindeberaterin Ute Garth. (Foto: Degott)
Ein Gesprächs- und Informationsabend in Niedergailbach nimmt Vorwürfe gegen früheren Pfarrer Alois Gabriel in den Blick
Fassungslosigkeit, Wut und tiefe Enttäuschung waren mit Händen zu greifen und prägten eine Austausch- und Informationsveranstaltung in der Gemeinschaftshalle von Niedergailbach, bei der rund 80 Gemeindemitglieder auf schwere Vorwürfe gegen ihren früheren Pfarrer Alois Gabriel reagierten.
An einer Stellwand brachten die Teilnehmenden ihre Gefühle schriftlich zum Ausdruck – viele zeigten sich erschüttert über das Ausmaß der nun bekannt gewordenen Taten. „So etwas hat ihm wohl niemand zugetraut“, war ein geäußerter Satz. Gabriel, der von 1972 bis 2004 die Pfarreien St. Mauritius in Rubenheim und St. Wendelinus in Bliesdalheim leitete und bis zu seinem Tod 2018 als Ruhestandsgeistlicher in der Habkircher Pfarrei St. Martin tätig war, wird in einer von der Unabhängigen Aufarbeitungskommission (UAK) beauftragten Studie schwer belastet. Die von der Universität Mannheim erstellte Untersuchung dokumentiert Fälle sexualisierter Gewalt durch katholische Geistliche und Mitarbeitende im Bistum Speyer seit 1946. Demnach habe Gabriel bereits ab 1958, zunächst als Präfekt, später ab 1964 als Direktor des Bischöflichen Konvikts St. Ludwig in Speyer, mehrfach Kinder sexuell missbraucht und dabei massive körperliche Gewalt ausgeübt.
Die Studie geht zudem von weiteren Tätern in seinem Umfeld aus und vermutet ein missbräuchliches Netzwerk unter seiner Leitung. Generalvikar Markus Magin sprach von vier Betroffenen, die sich – teils noch zu Lebzeiten Gabriels, teils nach dessen Tod – gemeldet hätten. Ihre Erlebnisse stammen allesamt aus der Zeit, in der Gabriel das Konvikt leitete. Magin betonte, dass das Bistum bereits vor der öffentlichen Veranstaltung Gespräche mit Gremien der betroffenen Pfarreien geführt habe.
Im Verlauf des sachlich geführten, aber emotional aufgeladenen Abends, bei dem Teilnehmer auch über persönliche Erlebnisse mit Gabriel sprachen, wurde außerdem bekannt, dass ein weiterer, bereits vor Jahrzehnten verstorbener Geistlicher, der in Niedergailbach tätig war, inzwischen ebenfalls als Beschuldigter geführt wird. Pastoralreferentin Kornelia Olbrich aus Gersheim beschrieb die Reaktionen in der Gemeinde als vielschichtig. „Es fällt schwer, einen Menschen mit einer neuen, fremden Brille zu betrachten“, sagte sie. Pfarrer Daniel Ševo aus Mandelbachtal mahnte, die neuen Erkenntnisse nicht zu verdrängen, sondern zum Anlass zu nehmen, über die dunklen Seiten offen zu sprechen. Magin rief dazu auf, sich zu melden, wenn man selbst Gewalt erfahren habe oder von Übergriffen wisse. Gersheims Pfarrer Krystian Scheliga kündigte an, die Erkenntnisse des Abends in den Gremien weiter zu reflektieren und bei Bedarf weitere Schritte in einem offenen Miteinander zu gehen. (Wolfgang Degott)