Samstag, 14. Mai 2022
Grußwort Juni 2022
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich schreibe diese Zeilen, nachdem ich die Nachricht vom Rücktritt von Andreas Sturm als Generalvikar und sein Ausscheiden aus dem Dienst der Diözese Speyer erhalten habe. Sie hat mich tief betroffen gemacht und traurig gestimmt. Konnte ich ihn als einen Hoffnungsträger erleben, der wertschätzend, offen und interessiert den Menschen begegnet ist. Sich der Verantwortung stellte, konsequent den Blick auf die Opfer des Missbrauchs zu richten, Transparenz zu ermöglichen und eine Kultur der Aufmerksamkeit zu begründen. Ich bin dankbar für seine Impulse und sein Engagement, mit denen er wichtige Weichen gestellt hat, der Kirche ein menschenfreundliches und zeitgemäßes Gesicht zu geben.
Ich selbst blicke in diesem Moment in Gedanken in so viele Gesichter, die mir Kirche waren und heute noch sind. Das erste Gesicht, das sich vor meinem inneren Auge zeigt, ist meine Mutter. Sie knüpfte Freundschaft mit einem iranischen Arzt, als dies noch ungewöhnlich war. Ich erinnere mich an ein Bild, auf dem ich mit dem gleichaltrigen italienischen Nachbarjungen im Kinderwagen lag. Streitbar setze sie sich für Flüchtlinge und benachteilige Familien ein. Natürlich schaut mich mein Vater an, dem es nach dem Krieg verwehrt war, eine weiterführende schulische Ausbildung zu machen. Der sich als Arbeiter in der KAB engagierte und mir so eine Sensibilität schenkte, wie akademisch nicht nur die Sprache in der Kirche ist.
Es werden daneben auch Erinnerungen wach, die mich tief verletzt haben. Abschätzende Beurteilungen, überhebliches Gebaren und dem Festhalten an offenkundig unsinnigen Regeln. Ich sehe Repräsentanten der Kirche vor Augen, die willkürlich gehandelt und ungerecht beurteilt haben. Die blanke Machtausübung einem offenen und kritischen Diskurs vorzogen.
Sie treten aber zugleich in den Hintergrund. Lächelt mich doch ein zutiefst frommer, älterer Mann an, der, ohne viele Worte zu machen, sich um die Sauberkeit des Pfarrhauses und der Kirche kümmerte. Ja, ich höre die Stimmen der Frauen, die ehrenamtlich die Kirche geputzt haben. Immer mehr treten hinzu. Jugendliche, Frauen und Männer, die tatkräftig anpackten. Gemeinsames Arbeiten und gemeinsames Feiern eine wichtige Einheit bildeten. Gemeinsame Treue und Liebe in einer Beziehung gewürdigt wurden, die ganz offenkundig gegen die Lehre des Katechismus stand.
Von allen Seiten fügen sie sich zu einer großen Gruppe zusammen. Bunt, lebendig, zutiefst verschieden in ihren Überzeugungen und ihrer Lebenspraxis. Der Platz würde nicht ausreichen, um jeden und jeder von ihnen auch nur eine kleine Erwähnung zu würdigen.
Ich bin dankbar für so viele Erfahrungen, die all diese Menschen mir jetzt wieder lebendig vor Augen führen.
Ja, Gott, ich kann nicht umhin, in all diesen Menschen dein Gesicht zu sehen und dich darin zu hören. Ich denke an unsere vertraulichen Zwiesprachen. Du wirst dich an meine vielfältige Wut, meine lähmende Resignation, mein ratloses Unverständnis und an mein schmerzhaftes Versagen erinnern. Du hast mir immer wieder geantwortet. Oft musstest du dich mehrmals wiederholen. Aber du kennst ja meine Schwächen. Ich vertraue darauf, dass du auch jetzt zu mir sprichst. Ich bin zutiefst traurig und betroffen. Darin spüre ich jetzt eine Verbundenheit zwischen uns. Ich weiß, dass auch du leidest.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, die Sie meinen Gedanken geschenkt haben. Ich wünsche uns von ganzem Herzen segensreiche Begegnungen.
Markus Hary, Pfarrer
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