Dienstag, 12. April 2022
Ein Stückchen Zuhause
Sonntagscafé in der Ludwig-Wolker-Freizeitstätte von Geflüchteten geschätzt
Gut 100 Gäste sind es am Nachmittag des Palmsonntags, die sich in den Räumen und auf dem Außengelände der Ludwig-Wolker-Freizeitstätte im Ludwigshafener Stadtteil Süd tummeln. Erwachsene und Kinder, die der Einladung zum „Sonntagscafé für geflüchtete Ukrainer und ihre Freunde“ gefolgt sind. Die Erwachsenen unterhalten sich bei Kaffee und Kuchen, die Kinder spielen draußen oder verzieren in einem Workshop Ostereier nach ukrainischer Tradition. Das Zusammensein hier wirkt entspannt, fast gelöst.
Und das ist es auch, was das Sonntagscafé, das die Freizeitstätte in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Bauorden und dem Verein Kinderhilfe Ukraine an diesem Palmsonntag zum vierten Mal anbietet, bewirken soll: Dass die Menschen, die es nach der Flucht aus der Ukraine in die Vorderpfalz verschlagen hat, für einige Augenblicke die schrecklichen Erinnerungen, die Sorgen um die zurückgelassenen Verwandten und Freunde und um ihre eigene nächste Zukunft vergessen können, sich unterhalten und austauschen, ein wenig Trost, Rat und Perspektive finden können. So fasst es Andreas Massion, Leiter der von der Katholischen Gesamtkirchengemeinde getragenen Freizeitstätte zusammen. Das Angebot ist entstanden auf dem Fundament einer schon mehrfach erprobten Zusammenarbeit mit Peter Runck, dem Geschäftsführer beim Deutschen Zweig des Internationalen Bauordens, und Valentyna Sobetska, Vorsitzende der bereits 2014 gegründeten Kinderhilfe Ukraine. Er selbst kümmere sich vor allem um die Bereitstellung der Räumlichkeiten, den Küchendienst rund um Kaffee und Kuchen, der von vielen gespendet wird, wie Massion dankbar bemerkt. Sobetska und Runck übernehmen vorrangig die Organisation des Tagesprogramms, fragen auch die Helfer und Helferinnen für Auf- und Abbau und die Anleitung der Workshops an. Alle drei betonen, dass durch die Bereitschaft vieler Menschen, sich einzubringen, die Suche nach Freiwilligen nicht schwer ist.
Eine davon ist Natalija, die den Ostereier-Malworkshop vorbereitet hat: In ihm lernen die Teilnehmenden, Eier nach ukrainischer Tradition zu bemalen. Die 46-Jährige kam Anfang März mit ihren drei Kindern aus Wyschhorod in der Nähe von Kiew nach Ludwigshafen. Hier wurde sie zunächst von einer befreundeten Familie aufgenommen, lebt inzwischen aber in einer von einem Nachbarn der Gastgeberfamilie kostenlos zur Verfügung gestellten Wohnung. Natalijas Mann musste in der Ukraine bleiben, berichtet die erste Gastgeberin Katja, die Natalijas Worte übersetzt: Vor zehn Jahren hat Natalija in der Ukraine mit der Kunst des Ostereierbemalens begonnen und sie in Kindergärten und Schulen an Kinder weitergegeben. Ostern, das dort in diesem Jahr auf das Wochenende nach unserem Osterfest fällt, ist für die Menschen in der Ukraine ein bedeutendes Fest, es wird traditionell im großen Familienkreis gefeiert. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal diesen Workshop in Deutschland geben würde“, sagt sie mit Tränen in den Augen. „Aber wir sind froh, dass wir hier in Sicherheit sind.“ Und sie ist froh darüber, dass sie sich im Sonntagscafé einbringen kann und Kontakt zu anderen Familien hat.
Das bestätigt auch Yulyia, die mit Sohn und Tochter an Natalijas Workshop teilnimmt. Die 33-Jährige konnte mit Mann und Kindern und Verwandten in Ludwigshafen bei Freunden unterkommen, sie suchen jetzt aber nach einer Wohnung für acht Personen. Yulya ist sehr froh über das Angebot des Sonntagscafés: „Weil wir dadurch auf andere Gedanken kommen und nicht immer an die schrecklichen Ereignisse in der Ukraine denken müssen. Wir treffen andere Leute, die Kinder können spielen – für uns ist das ein Stück Zuhause.“ (Henning Wiechers)
Info: Das nächste Sonntagscafé findet am 24. April statt.