Mittwoch, 16. November 2022
Schluss mit Religion?

G7-Treffen in Münster: Die Außenminister tagten im Friedenssaal des Rathauses. Vorab wurde daraus ein historisches Kreuz entfernt. (Foto: imago/Photothek)
Das Auswärtige Amt streicht Gelder für religiöse Berater
Das Ministerium betont, die Bedeutung der Religionen sei hoch. Dennoch will es künftig ohne Religionsvertreter arbeiten.
Der Aufschrei war groß, als bekannt wurde, dass im Münsteraner Friedenssaal für ein Treffen der G7-Außenminister das Kreuz abgehängt wurde. Anfang November war auch bekannt geworden, dass das Auswärtige Amt künftig nicht mehr internationale Religionskonferenzen im bayerischen Lindau finanziell unterstützt. Das Ministerium bestätigte außerdem, dass es in seinem Referat „Religion und Außenpolitik“ keine Religionsvertreter mehr beschäftigt. Wird dem Thema Religion im Auswärtigen Amt keine Bedeutung mehr zugemessen?
Vor sechs Jahren wurde unter der Ägide des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier das Referat „Religion und Außenpolitik“ eingerichtet. Ziel war es, den Einfluss der Religionen besser zu verstehen und deren Potenzial für friedliche Konfliktlösungen zu stärken.
Im Jahr 2020 sollten ein evangelischer Pastor, ein Rabbiner und eine Muslima in das Referat berufen werden. Doch Kritiker warfen der stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Nurhan Soykan, vor, sich nicht ausreichend von Antisemitismus und Islamismus zu distanzieren. Alle drei Verträge wurden auf Eis gelegt. Schon damals unter Minister Heiko Maas sei intern kaum jemand davon ausgegangen, dass das Modell wieder aufgenommen werde, hieß es jetzt.
Wichtiges Gremium „ohne Not aufgegeben“
Benediktinerpater Nikodemus Schnabel, der zwei Jahre in dem Referat tätig war, kritisierte, dass „angesichts der heutigen Weltlage dieses Instrumentarium ohne Not aufgegeben wird“. Auch der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, wünschte sich, dass weiterhin „die Religionen als Faktor in der Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik eine große Rolle“ spielen.
Hinter vorgehaltener Hand gab es aber auch aus kirchlichen Kreisen Kritik: Die Projekte seien teilweise nicht nachhaltig. Dazu zählten einige Kritiker etwa die internationalen Religionskonferenzen in Lindau.
Die zeitliche Abfolge zeigt: Vieles von dem, was jetzt Kritiker auf den Plan ruft und was sie auf das von einer Grünen geführten Ministerium schieben, wurde bereits in der vergangenen Legislaturperiode entschieden.
Zugleich versichert das Ministerium, dass man die Bedeutung der Religionen weiterhin für sehr hoch halte. Und dass das Referat „Religion und Außenpolitik“ für die Pflege von Kontakten zu religiösen Persönlichkeiten und Organisationen auch künftig zuständig sei – auch ohne die Berater aus den Religionen selbst. In der Praxis muss sich zeigen, wie ernst das Ministerium diese Aussage nimmt. (kna)